#27 Mit weichem Blick durchs Leben gehen

Gehe diese Woche bewusst mit weichem Blick spazieren. Lass die Augen nicht fokussieren, sondern empfangen. Stell dir vor, du schaust mit deinem ganzen Gesicht. Nimm Licht, Farben, Formen, Bewegungen wahr – ohne sie benennen zu müssen. Vielleicht nimmst du mehr wahr als sonst.

Zwischen Bildschirm und Boden

Diese Woche war geprägt von viel Denkleistung.
Beim Erstellen der neuen Webseite für diesen Newsletter saß ich oft fokussiert am Computer. Ich mag es, mich in Dinge hineinzudenken – ganz ohne Ablenkung – zu schaffen, zu lernen, kreativ zu sein, mich zu vertiefen. 

An dieser Stelle ein Dank an meinen Mann, der mir so oft den Rücken freihält, wenn ich ganz in meiner Welt versinke. Es ist ein Geschenk, das nicht selbstverständlich ist.

Aber bei aller Konzentration brauche ich auch einen achtsamen Ausgleich, damit die Freude nicht verloren geht oder ich über meine körperlichen Grenzen hinausgehe. Es ist gut im Flow zu sein und es ist ein Akt der Selbstfürsorge, wenn wir uns erlauben, zwischendurch innezuhalten, uns zu dehnen, die Natur zu spüren, ganz bei uns anzukommen.

Vielleicht kennst du das auch: Nach einer Weile meldet sich der Körper. Du spürst ein Ziehen im Nacken, die Augen werden müde, der Atem flacher. Und auf einmal ist da dieser Wunsch, den Stuhl zu verlassen, die Füße zu vertreten, den Blick zu heben, frische Luft einzuatmen.

Der Ausgleich – Hände, Erde, Sein

Nach solchen intensiven Schaffensphasen ist es für mich immer wieder heilsam, etwas mit den Händen zu tun: abwaschen, draußen Wäsche aufhängen und zusammenlegen, Unkraut jäten. Schon im Studium waren das keine lästigen Pflichten für mich, sondern kleine Geschenke – Momente des achtsamen Ausgleichs.

Und dann darf auch das Nichtstun wieder Raum bekommen: der Blick darf schweifen, weich werden, ohne Ziel. Keine To-do-Liste, kein Denken, kein Planen. Nur Dasein.

Oft rattert es anfangs noch im Kopf. Aber wenn ich mir erlaube, alles da sein zu lassen – das Denken, die Müdigkeit, den Druck – dann verändert sich etwas. Der Körper entspannt sich. Die Gedanken werden langsamer. Und das Sein fällt mir wieder leichter.

Meine Erkenntnis

Einmal in meinem Leben – und dann nie wieder – habe ich versucht, klassisch zu “arbeiten”: acht Stunden am Schreibtisch, in einem Großraumbüro, mit Übersetzungsarbeit, die mir nicht wirklich gefiel.

Obwohl es nur ein einziger Tag pro Woche war, fühlte ich mich jedes Mal wie eingesperrt. Mein Körper rebellierte. Mein Geist wurde eng. Ich zählte die Minuten, bis ich endlich wieder raus durfte – flüchten aus der starren Struktur, zurück in die Natur, in die Bewegung.

Ich erinnere mich auch daran, wie ich als Kind und bis ins Studium hinein meine Hausaufgaben immer am Boden gemacht habe. Nie gerade am Tisch, nie auf einem Stuhl. Schon damals spürte ich: Mein Lernen passiert im Bewegen, im Raum, im Gehen. 

“Starres Sitzen ist das neue Rauchen”, hört man jetzt oft. Mein Körper weiß das scheinbar schon lange. 

Heute ist es noch genauso. Ich korrigiere meine Texte oft auf der Wiese, lerne im Spazieren, brainstorme im Wald. Mein Körper weiß längst: Leben braucht Bewegung. Und Geist braucht Körperkontakt. 

Das Beste ist, dass diese Pausen mir neue Perspektiven eröffnen. So kann ich wieder mit “frischen Augen” in meine kreativen Prozesse gehen. In meinem Blogartikel “Die Kraft des Gehens – Solvitur Ambulando” bin ich schon einmal darauf eingegangen, wie Bewegung dabei hilft noch kreativer zu sein. 

Meine Erkenntnis aus dieser Woche lautet: Wir brauchen beides – Fokus und Weite, Aktivität und Ruhe, Denken und Spüren.

Und oft beginnt die Entspannung dort, wo der Blick weich wird. Genau das ist mein Achtsamkeitsimpuls für dich in dieser Woche:

Der weiche Blick 

Unser Blick verrät mehr über unser Befinden, als uns oft bewusst ist.

Ein fokussierter, starrer Blick aktiviert das sympathische Nervensystem – also unseren „Alarmmodus“.
Wir gehen in den Tunnelblick. Alles konzentriert sich auf ein Ziel. Diese Fähigkeit ist wichtig – aber sie kostet auch Kraft.

Der weiche Blick hingegen – ein Blick, der nicht fixiert, sondern empfängt – signalisiert dem Körper Sicherheit.
Das parasympathische System wird aktiviert. Das Nervensystem reguliert sich, der Atem vertieft sich, die Muskeln entspannen sich. 

Der weiche Blick wird auch oft in der Kampfkunst praktiziert, um das Umfeld in seiner vollen Tiefe und Weite wahrzunehmen. Er entspannt die Augen, macht unsere Sicht weicher und freundlicher und hilft, sich wieder mehr mit dem Hier und Jetzt zu verbinden.

Studien zeigen:

  • Der weite, periphere Blick aktiviert unser soziales Nervensystem. (Dr. Arielle Schwartz, 2021)
  • Augenbewegungen beeinflussen direkt unser Stresslevel. (Dr. Arielle Schwartz, 2021)
  • In der Natur fällt der weiche Blick leichter – dort gibt es kein klares Zentrum, sondern Vielfalt, Bewegung, Leben. (Fleming et. al. 2024)

Wenn wir den Blick nicht auf ein Ziel richten, sondern dem Raum erlauben, in uns hineinzufallen – dann betreten wir einen anderen Zustand des Seins: Wir fühlen uns weich, offen und verbunden.

Mini-Achtsamkeitsübung zum weichen Blick

Hier ist eine kleine Übung, die du jederzeit zwischendurch machen kannst – auch am Schreibtisch oder unterwegs, aber am besten in der Natur:

Die Eulenübung – Nervensystem beruhigen mit weichem Blick

  • Strecke beide Arme nach vorne aus, Daumen nach oben.
  • Fixiere beide Daumen mit dem Blick.
  • Bewege dann langsam beide Arme nach außen – nur so weit, wie du die Daumen noch sehen kannst.
  • Der Kopf bleibt in der Mitte, ruhig. Nur die Augen folgen.
  • Halte den Blick einen Moment auf diesem äußeren Punkt – und spüre.
  • Lass dann den Blick weich werden. Nimm nicht nur die Daumen, sondern auch den Raum dazwischen und dahinter wahr.

Diese kleine Übung schenkt deinem Nervensystem ein „Alles gut“-Signal.:
Du bist sicher. Du darfst empfangen. Du musst nichts leisten.

Ein weiter Blick bedeutet Weite im Inneren.

Probiere sie draußen – unter dem Himmel, zwischen den Bäumen – oder mitten in deinem Alltag, wenn du dich nach Weite sehnst. Eine kleine, kraftvolle Übung für deinen Alltag:

Mein Achtsamgang-Impuls für Dich

„Mit weichem Blick unterwegs“

Diese Woche lade ich dich zu einem Spaziergang mit weichem Blick ein.
Er darf kurz sein – vielleicht nur 10 Minuten. Wichtig ist die innere Haltung.

  • Mache gern zuerst die Eulenübung
  • Lass die Augen nicht fokussieren – sondern empfangen.
  • Stell dir vor, du schaust mit deinem ganzen Gesicht.
  • Nimm Licht, Farben, Formen, Bewegungen wahr – ohne sie benennen zu müssen.
  • Geh langsam, achte auf deinen Atem, spüre den Boden.

Vielleicht wirst du weicher. Vielleicht taucht ein Gedanke auf. Vielleicht passiert gar nichts – außer, dass du einfach da bist.

Was verändert sich in deinem Körper, wenn der Blick nicht führt, sondern empfängt? Vielleicht nimmst du mehr wahr als sonst?

Ich wünsche dir eine Woche voller weicher Augenblicke und neuer Sichtweisen.
Mögest du entdecken, was sich zeigt, wenn du nicht suchst.

Herzensgrüße
Anna 🌿✨

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen